Oligarchen haben über Galionsfiguren und Briefkastenfirmen Immobilien am Tegernsee angehäuft. Die BKA-Ermittler hoffen, sein Vermögen beschlagnahmen zu können.
Rottach-Egern/Tegernsee – Plötzlich hatte es der 68-Jährige eilig. Als Putins Truppen am 24. Februar in die Ukraine einmarschierten und Demonstranten in Rottach-Egern aufmarschierten und „Stoppt Putin“ forderten, floh sein Vertrauter Alisher Usmanow überstürzt aus dem Land. Am 28. Februar, so die Bewohner eines seiner Grundstücke, „packte er sofort seine Koffer“ und „reiste“ mit seinem Gefolge ab.
Der Milliardär und Oligarch wusste, was ihm drohte: die Aufnahme auf die EU-Sanktionsliste, die einen Tag später sofort folgte. Dort landete der gebürtige Usbekist, ebenfalls mit russischem Pass, auf der Nummer 673. Er wurde als „kremlfreundlicher Oligarch mit besonders engen Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin“ ausgewiesen. Und „Dmitri Medwedew“, ehemaliger Präsident und jetzt Putins Schraubenschlüssel, „konnte persönlich Luxusimmobilien nutzen, die von Alisher Usmanov kontrolliert wurden“, heißt es in der öffentlichen Ausschreibung der EU.
Tegernsee: Unzählige Villen wurden von Briefkästen und Offshore-Firmen gekauft
Der laut Forbes mit 16 Milliarden Euro bewertete Multiunternehmer Usmanow ist ein Profi, wenn es um Immobilien und Finanzströme geht. Unzählige Villen, ob auf Sardinien, in Italien, London oder am Tegernsee, wurden gekauft und durch ein Netz von Briefkästen und Offshore-Firmen geschickt getarnt. Das gilt auch für seine vier Liegenschaften in bester Lage von Rottach-Egern. Wie an einer Perlenschnur reihen sich Usmanows millionenschwere Investments am Ufer des Sees auf. Laut den vorliegenden Kaufverträgen haben sie alle eines gemeinsam: Sie wurden von britischen Galionsfiguren über Münchner Notare für drei Briefkastenfirmen in der Steueroase Isle of Man gekauft.
Tegernsee: Können Ermittler Usmanows Villa in Rottach-Egern beschlagnahmen?
Den Anfang machten Usmanovs Handlanger im Juni 2011. Brett Sinclair A. und Stephen Paul C. kauften für 7,8 Millionen Euro das Haupthaus des Oligarchen. Im Grundbuch ist noch eine „Tegernsee (IOM) Limited“ eingetragen. Das Kürzel IOM steht für Isle of Man. Doch dieser Kaufvertrag enthält eine Passage, die es der neu eingerichteten „Ukrainian Task Force Investigative Group“ des Bundeskriminalamts (BKA) ermöglichen könnte, die Villen des Oligarchen in Rottach zu beschlagnahmen.

Denn die Ermittler müssen ihm im Notarvertrag nachweisen können, dass er der „wirtschaftliche Eigentümer“ dieser Immobilie ist. Und das können sie in diesem konkreten Fall, wie Beamte bestätigen. Denn im Konzessionsvertrag muss der Käufer zustimmen, als Eigentümer eine natürliche Person zu ernennen, die auch Nutzniesser des Kaufvertrages ist. Alisher Usmanov, Sivtsev Vrazhek Street, 15th Floor, Moskau, genannt, sowie die Domiziladresse in Rottach-Egern.
Usmanow: Spaziergänge durch den Tegernsee in Begleitung von bis zu fünf Leibwächtern
Usmanovs Strohmänner waren es, die die Doppelhaushälfte einen Steinwurf vom Haupthaus entfernt für eine „Lakeview Property Holding Limited“ erworben und im August 2018 für zwei notariell an die bekannte „Tegernsee (IOM) Limited“ übertragen haben Millionen Euro: sozusagen von der linken in die rechte Tasche. Für die Ermittler ist dies ein Hinweis darauf, dass die Geldflüsse auf verschiedene Konten der drei für Tegernseer Immobilien gemeldeten Offshore-Gesellschaften verschwiegen werden sollen. Manche sprechen auch von Geldwäsche.
Ein Teil von Usmanows Leibwächtern hielt sich im Reihenhaus auf. Der andere Teil des Konvois von bis zu 30 Personen zog in eine nicht weit entfernte Unterkunft in einer angemieteten Eigentumswohnung. Während manche Anwohner das ständige Kommen und Gehen von Sicherheitskräften in einer kleinen Wohnanlage als Problem empfinden, haben viele Anwohner nur Gutes über Usmanov zu sagen, einen Mann, der Putin nahe steht. „Er war sehr zurückhaltend und hat sich nicht darum gekümmert. Was geliefert wurde, kam immer aus München.“ Aber Usmanow wurde trotz „Weihnachtsbeleuchtung“ weder im Sommer noch im Winter mit seiner Familie gesehen “ wurde bei seinen Spaziergängen am Ufer des Sees von bis zu fünf Leibwächtern begleitet.
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Vermutlich stattete er auch seinem dritten Anwesen, ebenfalls nur wenige Minuten entfernt, gelegentlich einen Besuch ab. Im Dezember 2015 erwarb er es mit 2.346 Quadratmetern Grundstück über eine „Lake View Property Holding“ für 7,2 Millionen Euro von einem Universitätsprofessor in Salzburg. Die weitläufige Villa dient angeblich als Gefolge von Usmanow.
Der bekannte Architekt aus Rottach realisiert einen Neubau für Usmanow am Tegernsee
Ein Jahr später, im November 2016, investierte der Oligarch in eine andere Immobilie. Diesmal wieder im Schorn. Ein Kölner verkaufte ihm seine 2.303 Quadratmeter für 6,2 Millionen Euro. Er ließ das alte Gebäude abreißen und ein bekannter Architekt aus Rottach stellte ihm in der Nähe einen Neubau im Stil seines Stammhauses zur Verfügung. Trotz der Sanktionen wird die majestätische Villa jedoch noch fertiggestellt. Rechnungen der ausführenden Unternehmen werden voraussichtlich an das dritte Briefkastenunternehmen adressiert: Lake Point Property Holding Limited, 26 Victoria Street Douglas, Isle of Man.
Riesiges Netz von Galionsfiguren erschwert Ermittlungen gegen Usmanov
Insgesamt stießen BKA-Ermittler bei der Auswertung von Daten zu Usmanov allein in Deutschland auf 36 Offshore-Firmen und 90 Hinweise auf Geldwäscheverdacht, wie Medien nun berichten. Den Forschern zufolge soll Usmanovs Vertrauen etwa fünf Stufen haben, nur ganz unten findet sich sein Name. Vor diesem Hintergrund entsteht ein riesiges Netzwerk von Galionsfiguren aus ihrem Umfeld, was die Jagd auf Oligarchen wie Usmanov erheblich erschwert.
Nach den Sanktionen dürfte auch das Reisen für Usmanov schwierig werden. Seine 600-Millionen-Luxusjacht „Dilbar“ liegt wie berichtet derzeit auf der Hamburger Werft Blohm + Voss in Kiel, in der Luft muss er auf seinen Airbus 340-313 verzichten, mit dem ihm die Flucht von München nach Taschkent gelang. Seinem Großraumflugzeug mit der Bezeichnung M-IABU (IABU steht für „I am Alisher Burhanovich Usmanov“) wurde gerade die Registrierung von der Isle of Man entzogen, wie der Leiter der Zivilluftfahrtbehörde der Insel bestätigte.
Der zweite Oligarch Ivan Pavlovich Shabalov erwarb Immobilien in der Stadt Tegernsee
Zurück zum Tegernsee. Ein anderer Oligarch hat seine Ländereien in der gleichnamigen Gemeinde: Ivan Pavlovich Shabalov, geboren in Usbekistan als Usmanov, ist ein russischer Pipeline-Tycoon, der Gazprom die gewünschten Pipelines für das inzwischen gestoppte Nord Stream-2-Projekt geliefert hat. Sein Mandant war Gazprom-Chef Alexej Miller, der auf der Sanktionsliste steht. Shabalov, Jahrgang 1959, erwarb seine herrschaftliche Villa 2007 über seine damals in München ansässige Luxburg GmbH. Für die 8.005 Quadratmeter zahlte er 6,35 Millionen Euro. 2014 ging die Villa an die Luxburg GbR in Gelsenkirchen über, die ihm und seiner Frau Liudmila Gai gehört. Beide geben als Wohnsitz Lugano in der Schweiz an. Seit Mai 2019 ist Shabalovs Tochter Anna Shabalova Eigentümerin.
Tegernsee: „Goldene Pässe“ der Oligarchen erleichtern Geldwäsche
Auch das zweite Grundstück in unmittelbarer Nähe mit 1.200 Quadratmetern Grundstück erwarb Shabalov 2007, diesmal für nur 700.000 Euro, allerdings für die Luxburg GmbH in Gelsenkirchen. Im Dezember 2019 ging das Anwesen für 2,76 Millionen Euro in die Hände seines in Moskau lebenden Sohnes Pavel über. Laut Vertrag ging die Hälfte des Kaufpreises auf zwei getrennte Konten des Ehepaars Shabalov und Gai bei der russischen Sberbank, die nun ebenfalls auf der Sanktionsliste steht. Die Shabalovs behaupten jedoch, in der Via Giuseppe Mazzini in Lugano im Tessin zu wohnen, obwohl sie beide zypriotische Pässe haben sollen. Diese gekauften „goldenen Pässe“ sind sehr typisch für Geldwäsche, sagen die Ermittler der Task Force. Sie sahen auch Shabalovs Jacht „Soaring“, die unter der Flagge Zyperns wehte. Berichten zufolge kaufte er sie 2020 für 120 Millionen Dollar.

Auch der örtliche CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan wundert sich, warum Schabalow noch nicht auf der Sanktionsliste steht. „Er (Schabalow) hätte wahrscheinlich auch in Oberbayern Immobilien gekauft und zumindest in der Vergangenheit Kontakt zu anderen sanktionierten Personen gehabt“, schrieb Radwan Ende März an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Und er fragt weiter: „Schafft die Bundesregierung derzeit eine gesetzliche Grundlage, um Vermögen nicht nur einzufrieren, sondern auch einziehen zu können? Wenn das so ist, wie? Wenn nicht, warum nicht?“
Bei Usmanov ist es für russische Schatzsucher keine leichte Aufgabe. Ihren «Sister Trust» soll sie 2017 an ihre Schwester Gulbahor Ismailova und wiederum an ihre Schwester Saodat Narzieva als wirtschaftlich Berechtigte von bis zu 27 Schweizer Konten übertragen haben. Doch nun stehen beide auch auf der Sanktionsliste. Daher hofft das BKA, zumindest die Liegenschaften des Oligarchen Tegernsee über die Grundbücher in Miesbach zu erhalten. (Klaus Weendl)
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Quelle: www.merkur.de