München Klein-Klein war gestern: Wenn Rohm-Chef Isao Matsumoto über seine Pläne spricht, ist von japanischer Zurückhaltung keine Spur mehr. „Wir wollen einer der großen Player in unserem Markt werden und weltweit eine wichtige Rolle spielen“, sagte der CEO des Chipherstellers dem Handelsblatt.
Damit eröffnet der Manager die Jagd auf den Dax-Konzern Infineon, den größten Hersteller von Chips für Autos weltweit. Einerseits will Matsumoto außerhalb Japans stark expandieren, vor allem in Europa, dem Heimatmarkt von Infineon. Andererseits sieht er die größten Chancen für den Kyoto-Konzern im Geschäft mit der Autoindustrie, der wichtigsten Einnahmequelle des Münchner Konkurrenten.
Vorteil gegenüber Infineon: Im eigenen Werk der SiCrystal-Tochter in Nürnberg produziert Rohm Siliziumkarbid (SiC), das Chipmaterial der Zukunft. Mit Halbleitern aus SiC verbrauchen Elektroautos weniger Strom, der Rohstoff ist also knapp und weltweit gefragt.
Damit nicht genug: Nur zehn Prozent seiner Chips bezieht Rohm von Auftragsfertigern. Infineon hingegen lässt etwa 30 Prozent aller Komponenten von Zulieferern produzieren. Das war lange Zeit eine Hürde, weil diese sogenannten Foundries in Fernost den Auftragsansturm nicht mehr bewältigen können, was zu langen Vorlaufzeiten führt.
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Andererseits sichert die eigene tiefe Wertschöpfung des Unternehmens eine stabile Versorgung der Rohm-Kunden, betonte CEO Matsumoto. „Gerade in diesen Zeiten ist das ein riesiges Plus.“ Experten sehen das ähnlich: Rohm habe sich schon lange vor den aktuellen Supply-Chain-Problemen erfolgreich positioniert, sagt Peter Fintl, Chip-Experte bei der Unternehmensberatung Capgemini.
Manche Kunden von Halbleiterherstellern auf der ganzen Welt müssen bis zu zwei Jahre auf ihre Bestellung warten. Bei Rohm liegt die Lieferzeit laut Matsumoto aktuell zwischen vier und sechs Monaten.
Der Manager hat kürzlich seine mittelfristige Prognose angehoben. Bisher hatte sie den Investoren für das Jahr 2025 einen Umsatz von rund 3.500 Millionen Euro versprochen. Ein Ziel, das der Konzern bereits in diesem Jahr übertreffen wird. Matsumoto will nun über drei Jahre rund 4,5 Milliarden Euro einsammeln. Zudem weist der Konzernchef auf eine operative Marge von 20 Prozent hin, zuvor waren es 17 Prozent.
Dass Rohm jetzt den Turbo andreht, ist keine Selbstverständlichkeit. Zwei Jahrzehnte lang stagnierte das 1954 gegründete Unternehmen in Sachen Umsatz. Allein im letzten Geschäftsjahr, das am 31. März endete, übertraf der Umsatz den Rekord aus dem Jahr 2000. Der Umsatz stieg um 26 Prozent auf umgerechnet rund 3,4 Milliarden Euro. Allerdings lag die operative Marge mit 15,8 Prozent noch deutlich unter den damaligen 34 Prozent.
Europa wird für Rohm immer wichtiger
Besonders gut lief es zuletzt in Europa, wo einige der weltweit größten Konkurrenten von Rohm zu Hause sind: Neben Infineon gehört auch der französisch-italienische Hersteller STMicroelectronics dazu. Hier stiegen die Einnahmen um fast 40 Prozent. „Ich bin froh, dass wir in Europa so stark gewachsen sind, aber ich bin noch lange nicht zufrieden“, betonte Matsumoto. Gut acht Prozent des Umsatzes entfallen auf das Europageschäft.
Die 200 Mitarbeiter von SiCrystal produzieren jährlich 100.000 SiC-Scheiben, sogenannte Wafer, was einem Fünftel des Weltmarktes entspricht.
(Foto: SiCrystal)
Angesichts der großen Autohersteller in Europa sieht Matsumoto besonders großes Potenzial in Europa. Für das neue Geschäftsjahr erwartet der Konzernchef ein Umsatzplus von 29 Prozent in Europa, mehr als das Doppelte des Gesamtunternehmens. Damit gewinnt die Region im Konzern an Bedeutung.
Kein Wunder, dass Rohm Autochips attackiert, denn es ist ein dynamischer Markt: Nach Schätzungen der Marktforscher von Omdia wächst der Umsatz bis 2025 jährlich um gut 12 Prozent. Der wichtigste Grund dafür: In Elektroautos stecken dreimal mehr Halbleiter als in Elektroautos Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Darüber hinaus benötigen Autohersteller zusätzliche Chips für automatisiertes Fahren und Infotainment.
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Ein wichtiges Geschäft für Rohm sind sogenannte Leistungshalbleiter, die für die Stromversorgung von Elektrofahrzeugen notwendig sind. Sie werden sowohl im Auto selbst als auch in Ladestationen verbaut.
Laut Omdia stieg das weltweite Geschäft mit Autochips im vergangenen Jahr um 28,6 Prozent auf 51,6 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Hersteller produzierten nur 2,5 Prozent mehr Fahrzeuge als 2020. Das heißt: Chipfirmen verkauften immer teurere Komponenten.
Nicht zuletzt sind SiC-Chips gefragt. Bei der SiCrystal-Tochter in Nürnberg stellen die Japaner das Material dafür her und verkaufen es an Kunden wie STMicroelectronics oder Infineon. Gleichzeitig entwickelt und vertreibt Rohm auch SiC-Halbleiter. Mit zehn Prozent Marktanteil sind die Asiaten die Nummer vier unter den Anbietern von SiC-Chips.
Auch Infineon wollte 2017 einen SiC-Produzenten übernehmen, den US-Konzern Wolfspeed. US-Behörden untersagten den Deal mit Verweis auf die nationale Sicherheit. Rohm war weitsichtig und kaufte 2009 SiCrystal von Siemens.
Die Marktforscher von Yole prognostizieren einen Umsatz von 6,3 Milliarden US-Dollar für SiC-Chips im Jahr 2027, etwa sechsmal mehr als im Vorjahr. Das entspricht einem jährlichen Zuwachs von gut einem Drittel. Dieses Wachstum macht SiC zu einer sehr attraktiven Nische auf dem über 600 Milliarden Dollar schweren Halbleitermarkt.
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Die Kombination aus Silizium und Kohlenstoff ist energieeffizient und nimmt wenig Platz ein. SiC ermöglicht es Fahrzeugherstellern, kleinere Batterien zu verwenden oder eine größere Reichweite anzubieten.
Einer der bekanntesten Kunden von Rohm in Deutschland ist Vitesco, die ehemalige Antriebssparte von Continental. In den USA beliefern die Japaner den Elektroautohersteller Lucid, in China den Konkurrenten Geely.
„SiC wird durch steigende Energiepreise attraktiver“, sagt Europa-Chef Wolfram Harnack. Deshalb stehen ihm die Türen in der Zentrale der Autokonzerne zunehmend offen: „Das Interesse, direkt mit uns in Kontakt zu treten, ist groß.“ Um die Versorgung mit dem begehrten Siliziumkarbid muss sich der Elektrotechniker im Gegensatz zu Konkurrenten wie Infineon jedenfalls keine Sorgen machen.
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Quelle: www.handelsblatt.com