Das 9-Euro-Ticket des Bundes soll im Juni starten, sofern die Bundesländer am Freitag zustimmen. Die Idee wirft in touristischen Hotspots Bedenken auf, bleibt aber verlockend.
Der von der Bundesregierung geplante Neun-Euro-Schein könnte kurz vor dem Ziel scheitern: Der Bundestag beschließt am Donnerstag, den Bundesrat am Freitag. Wenn sie zustimmen, können Regionalzüge und Busse von Juni bis August für neun Euro im Monat deutschlandweit fahren. Doch aus mehreren Bundesländern gibt es Bedenken gegen das geplante Ticket. auch von Bayern. Verkehrsminister Christian Bernreiter (ECU) sagte: „Wenn die Bundesregierung glaubt, dass sie den Ländern für ein dreimonatiges Trostpflaster auf die Schulter klopfen kann und andere die Rechnung bezahlen müssen, dann hat sie einen großen Fehler gemacht.“ Laut Bernreiters Kritik war das Ticket ein Blitzschlag. Vielmehr wäre die Entlastung der Bürger eine echte Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs.
Das Ticket, das Teil des Hilfspakets des Bundes ist, hat Potenzial: Warum Interrail, wenn man ein Ticket aus Deutschland haben kann? Unsere Übersicht zeigt, was mit dem Ticket möglich wäre.
Entdecken Sie unbekannte Ziele in Deutschland mit dem 9-Euro-Schein
Waren Sie schon einmal in Quedlinburg? Das Städtchen im Harz soll absolut sehenswert und mit der Regionalbahn gut erreichbar sein. auch Präsident Frank Walter Steinmeier er war vor kurzem dort und führte von dort aus drei Tage lang seine Dienstgeschäfte. Aus Augsburg Quedlinburg ist auch neun Stunden und 17 Minuten mit dem Zug entfernt.
Doch Quedlinburg ist nur eines von Hunderten, Tausenden von Ausflugszielen, die man plötzlich für wenig Geld mit Bus und Bahn erreichen kann. Genauer gesagt für neun Euro. Im Monat. Das Ticket sollte ab dem 23. Mai bei vielen Anbietern an Fahrkartenautomaten oder über die App erhältlich sein. Gilt nicht für Schnellzüge wie ICE. Auch nicht für die erste Klasse. Aber einen Vorteil bieten Regionalzüge sowieso, nämlich die Verlangsamung.
Nur Regionalverkehr: Mit dem 9-Euro-Ticket braucht man Zeit
Regionalzüge oder Busse des öffentlichen Nahverkehrs, die mit dem Ticket ebenfalls genutzt werden können, sind meist nicht sehr schnell. Viele Haltestellen bedeuten aber auch: viele Ausstiegsmöglichkeiten! Wenn Sie das Ticket ausschöpfen möchten, haben Sie es vielleicht sowieso nicht eilig. Dies ist auch notwendig, wenn Sie beispielsweise Deutschland durchqueren möchten. Der südlichste Punkt des Landes liegt ziemlich abgelegen in der Gemeinde Oberstdorf im Oberallgäu (Augsburg-Oberstdorf mit der Bahn: eine Stunde, 56 Minuten).
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Überraschenderweise gibt es dort keine Zug- oder Bushaltestellen. Steigt man aber im Zentrum von Oberstdorf in die Regionalbahn ein, ist man nach rund 21 Stunden und zehn Umstiegen am nördlichsten Punkt Deutschlands, bei List auf Sylt (Augsburg – List: 19 Stunden). Zum Vergleich: Mit dem Auto sind es immerhin zwölf Stunden und mehr als 1000 Kilometer. Bei aktuellen Spritkosten schlägt der Neun-Euro-Schein das Auto deutlich. Der Zeitfaktor ist jedoch ein Punkt, an dem sich Reisende wahrscheinlich negativ auswirken werden.
9-Euro-Schein: Vor- oder Nachteil für Reisende?
Das Ticket könnte nun das werden, was das Bayernticket zumindest in Bayern war: ein günstiges Angebot, das das Reisen mit der Bahn attraktiver macht als das Fahren mit dem eigenen Auto. Außerdem ist das Ticket – zumindest heute – zeitlich unbegrenzt. Das Bayern-Ticket gilt erst ab neun Uhr. Eine Zeit, in der Pendler in der Regel ihren Arbeitsweg beendet haben. Pendler könnten sich daher morgens neben Tagesausflüglern in bereits überfüllten Zügen stapeln.
Für Reisende ist das Ticket jedoch durchaus attraktiv. Und wenn es nach den Verkehrsministern geht, sollte es so sein. Vor allem für diejenigen, die auch die S-Bahn, die U-Bahn oder die Tram nutzen. Denn für die meisten gilt das Ticket auch deutschlandweit. Auch wer nur einmal eine Tageskarte für das gesamte Münchner MVV-Netz benötigt, kommt in der Regel für neun Euro davon. Aber auch Abo-Kunden profitieren von der Ermäßigung: Ihr Ticket wird automatisch rabattiert.
Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass ein günstiges Ticket nicht unbedingt den Verkehr entlastet. Das weiß auch die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm (Augsburg – Pfaffenhofen: eine Stunde und 30 Minuten). Im vergangenen Jahr kamen auf 1.000 Einwohner 1.046 zugelassene Fahrzeuge.
Ein kostenloser Stadtbus soll mehr Menschen dazu animieren, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Das habe aber nur teilweise funktioniert, sagt Projektleiter Matthias Stocker. Die Straßen der Stadt sind nicht leerer geworden. Allerdings haben die hohen Kraftstoffpreise mittlerweile zu einer höheren Fahrgastzahl im Bus geführt.
Fürchten die Hotspots des Tourismus einen Ansturm auf den 9-Euro-Schein?
Beliebte Urlaubs- und Ausflugsziele in Deutschland könnten nun ins Stocken geraten. Stefan Fredlmeier ist in Füssen für den Tourismus zuständig. Wer das weltberühmte Schloss Neuschwanstein im benachbarten Hohenschwangau besichtigen möchte, kommt ebenfalls gerne mit der Bahn hierher. Fredlmeier sagt: „Gut möglich, dass der Ausflugsverkehr mit dem Neun-Euro-Schein etwas zunimmt. Inwieweit lässt sich nicht seriös berechnen. Allerdings gehe ich davon aus, dass die meisten Ausflügler und Touristen ohne dieses Ticket unterwegs wären.“
Das Bußgeld entlastet laut Fredlmeier hoffentlich Autos und Parkplätze vor allem in Städten wie Füssen. Klar ist aber auch, dass das Billigticket die Qualität des ÖPNV nicht verbessert.
Auch ein Ausflug in die Stadt ist kostengünstig möglich.
Gleiches gilt für die beliebte Route von Berlin an die Ostsee. Karl-Peter Naumann, Ehrenpräsident des Fahrgastverbandes Pro Bahn, äußerte sich besorgt über diese Strecke. Ohne zusätzliche Regionalzüge sei mit „chaotischen und abschreckenden Zuständen“ zu rechnen. Auch die Millionenstädte Berlin, Hamburg, München und Köln sind ein ideales Neun-Euro-Ziel. Sie sind ziemlich weit voneinander entfernt. Wer sie alle besucht, kann ab dem 1. Juni das volle Angebot der Regionalzüge nutzen und hat unterwegs unzählige Ausstiegsmöglichkeiten: Waren Sie schon einmal in Neudietendorf, Uelzen oder Elmshorn?
Quelle: www.augsburger-allgemeine.de