Der Bereich rund um das Casino erinnert noch heute an einen Endzeitfilm.
Foto: Judith Schumacher
Wer jetzt in der Innenstadt von Bad Neuenahr unterwegs ist, sieht wieder Menschen in der Eisdiele in der Nähe des kürzlich wiedereröffneten Moses-Kaufhauses sitzen. Ein Blumenladen im Quellenhof vermittelt eine freundliche Atmosphäre.
Vor der Bäckerei Kamps genießt man seinen Kaffee in der Frühlingssonne. Die ersten Boutiquen bieten Frühlingsmode an, die kleine Bäckerei Brand in der Jesuitenstraße hat seit Anfang April geöffnet und der Friseur Hammer ein paar Häuser weiter.
Das Zentrum ist weit weg vom Alten.
In der Iglesia del Rosario finden Einkäufer eine mobile Metzgerei, einen Imbiss, einen Gemüsestand und eine Apotheke. Doch all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch lange dauern wird, bis sich die Innenstadt von der verheerenden Flutkatastrophe erholt hat.
Je näher man der Ahr kommt, desto mehr Schaufenster sind mit Holzplatten verkleidet. Hier und da Baulärm, in manchen Häusern passiert scheinbar nichts. Rossmann, Edeka, Kneipen und Restaurants, die Eisdiele, Juweliere, alles hat geschlossen. Das Casino sieht immer noch aus wie aus einem apokalyptischen Film.

In der Kreuzstraße wird noch gebaut.
Foto: Judith Schumacher
In der Rosenkranzkirche spricht der ehemalige Präsident des Bürgervereins Wadenheim, Horst Felten, zu Passanten: „Hier stehen noch hundert oder mehr verlassene Häuser, in denen noch der Schlamm steht und niemand mehr da ist. Die Linde Platz ist ein wilder Parkplatz, der Brunnen hätte schon längst wiederbelebt werden können. Die Schaffung eines Ortes mit Sitzbänken, wo sich Menschen wieder treffen können, ist längst überfällig“, sagt Felten.
Viele Häuser haben keine Aufzüge. Ältere Menschen würden jetzt viel Geld bezahlen, um sich von jemandem nach unten bringen oder ihre Lebensmittel liefern zu lassen.
Die Rückkehr zur Normalität ist nicht einfach
Was ihm aber viel wichtiger ist: „Jetzt, bei dem starken Regen am Montag, sind die Feuerwehrleute 55 Mal rausgefahren und haben Keller rausgeholt. Die Leute hatten Angst. Die Kanäle hier sind kaputt und können das Wasser nicht aufnehmen. Wenn ich jetzt höre, dass die Levels wieder funktionieren, ist mir alles andere egal. Die Ahr ist nicht gefährlich. Gerade die Zuflüsse wie der Trierbach und der Saarbach brauchen dringend Regenrückhaltebecken und andere Maßnahmen“, so Felten.
Die Verantwortlichen würden aber über die Landesgartenschau sprechen und Töpfe aufstellen. Eine Dame, die neben Felten steht, ergänzt: „Und jetzt schicken sie die Verkehrswacht wieder rein. Neulich habe ich beobachtet, wie ein Taxifahrer einer älteren Frau in die Apotheke half. Als sie wieder ins Auto steigen wollte, hat eine Wache die Verkehrspolizistin hat ihm ein großes Ticket gegeben, das muss jetzt nicht hier sein“, sagt sie wütend.
Selbst wenn ich die fast leeren Busse sehe, die hier herumfahren, kann ich nicht verstehen, warum sie Rentnern keine Freifahrt gewähren.
Horst Felten, wohnhaft in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Volker Danko, Präsident des Werbevereins Bad Neuenahr, der rund 90 Mitglieder zählt, hat unterschiedliche Eindrücke vom Stadtbild und dem Einzelhandel in der Kurstadt.
„Es gibt viele Dinge, die vorankommen, aber auch vieles, das noch im Chaos begriffen ist“, sagt er. „Schaut man Richtung Ahr, auf die Post-, Linden- und Kreuzstraße, sieht das alles noch sehr schwierig aus. Mit den Pop-up-Malls hatten wir einen guten Start. Sie sollen aber nur eine Notlösung für ein paar Monate sein.“ , sie werden Ende August abgebaut. Noch dringender ist es, einen zentralen Anlaufpunkt in der Innenstadt am Lindeplatz zu schaffen. Da die umliegenden Gebäude noch nicht vollständig saniert sind, kann dies aber nur eine Übergangslösung sein dennoch sehr wichtig für die Menschen und den Handel hier, muss so schnell wie möglich geschehen“, stimmt Horst Felten zu.

Manuela Thies und Anja Schumacher vor dem Pop-up-Einkaufszentrum an der Ahrweiler Stadtmauer.
Foto: Judith Schumacher
Gut, dass sich Mensa und Weinlounge jetzt im Kurpark angesiedelt haben, aber durch die Kurgartenbrücke ist es ein Ort, der sehr weit von der Innenstadt entfernt ist. Auch die Unternehmen hätten in Eigeninitiative einen schönen Platz in der Iglesia del Rosario geschaffen. Dass das Kaufhaus Moses wieder geöffnet hat, ist gut und wichtig.
Allerdings würden dies auch Unternehmen in aufstrebenden Malls am schrumpfenden Publikum merken. Das Weihnachtsgeschäft lief gut, danach brach alles wieder zusammen.
Die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Kunden ist stark gesunken. Es ist an der Zeit, dass wir der Stadt wieder Leben einhauchen, auch wenn dies durch die Bautätigkeit erschwert wird.
Volker Danko, Präsident des Werbeverbandes Bad Neuenahr
Was die Mieten der Pop-up-Malls betrifft, so könnte man darüber diskutieren, ob statt der angegebenen 7 oder 8 Euro pro Quadratmeter nicht die angegebenen 5 Euro besser gewesen wären und diese mit Spenden jeglicher Art finanziert worden wären. . „Die Stadt erhebt Miete inklusive Nebenkosten, muss also enorme Energiekosten tragen und kümmert sich nicht um Werbefirmen, da ist ihre eigene Kreativität gefragt“, betont der Präsident des Werbeverbandes.
Ähnlich wie beim Ahrtaltourismus wurde in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Mainz die Förderung eines Innenstadtkonzepts beantragt, bei dem Unternehmen durch externe Berater unterstützt werden. „Hier warten wir noch auf eine Antwort, das Konzept könnte darauf abzielen, mehr für Familien und erlebnisorientierte Angebote zu bieten, wie eine Kaffeerösterei oder eine Bäckerei im Stadtbild“, sagt Danko.
Einzelhändler fühlen sich allein
In der Rotweinmetropole Ahrweiler haben nur wenige Geschäfte und Restaurants geöffnet. Doch abgesehen von wenigen Besuchern sind es die Handwerker und Baufahrzeuge, die das Bild prägen. Und die Fenster zugenagelt. Die Stimmung in der Pop-up-Shopping-Mall entlang der Stadtmauer zwischen Ahr- und Niedertor ist nicht gerade toll.
„Der Umsatz ist mehr als bescheiden, weshalb viele Einzelhändler hier bereits weggezogen sind“, sagt Ursula Wolff, deren Juwelier Bürkle ihr Juweliergeschäft in der Niederhutstraße in Ahrweiler inzwischen übernommen und gerade neu eröffnet hat. „Wir stehen mit den Containern mit dem Rücken zur Straße. Es gibt keine Wahrnehmung dessen, was hier angeboten wird. Viele wissen gar nicht, dass es hier Geschäfte gibt. Hier fühlen wir uns von der Stadt im Stich gelassen“, sagt Anja Schumacher, ehrenamtlich im Laden einer Freundin.
Mangelnde Erreichbarkeit?
Außerdem gaben die beiden Damen vom Laden „Floral Life“ auf, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten. „Sie haben hier einen schönen Treffpunkt geschaffen und hatten immer auch ein Café für ältere Menschen. Sie verpassen hier wirklich etwas. Es kann nicht sein, dass die Mieten so hoch sind, dass die Geschäfte abgerissen werden, wenn die Ahrweiler Einzelhändler weg sind, ist die Innenstadt tot“, sagt ein anderer Einzelhändler.
Anja Schumacher knüpft an Horst Feltens Beobachtung in Bad Neuenahr an: „Alte Menschen, die in den oberen Stockwerken wohnen und Schwierigkeiten haben, nach unten zu kommen, werden vergessen. Du musst klingeln und fragen, was sie brauchen.“
Quelle: www.rhein-zeitung.de