Terranische Reisende bewegen sich zu Fuß, mit dem Zug, Bus, Schiff oder Auto um den Planeten. Es wird nicht absichtlich geflogen.
„Fliegen ist einfach die Achillesferse des Tourismus“, sagt Christoph Mülleder. Der 56-jährige Gallneukirchner hat sich als „Weltanschauen“-Reiseveranstalter beruflich auf bewusstes und nachhaltiges Reisen spezialisiert: „Aufgrund der fortschreitenden Klimakatastrophe ist die massive Reduzierung des Flugverkehrs und die Umstellung auf Landreisen einfach angesagt des Tages und sozusagen die höchste Eisenbahn“.
Von Selfie zu Selfie
Gerade innerhalb Europas hält er das Fliegen für absolut entbehrlich: „Es gibt andere bewusstere Arten des Reisens, da nimmt man sich mehr Zeit. Ein Tag im Zug ist auch ein Tag, um das Ziel vorzubereiten, ein Buch zu lesen und langsam umzusteigen.“ Landschaft genießen. Dafür bleibt im stressigen Arbeitsalltag ohnehin keine Zeit.“
Exzesse unserer Zeit
Das Shopping-Wochenende in New York oder der kurze Zwischenstopp in Paris ruinieren unser Klima, die Suche nach dem nächsten Selfie vor dem Instagram-Spot, um den sich hunderte Menschen scharen, sind Auswüchse unserer Zeit. Nicht zu fliegen sei der stärkste Hebel, den ein Einzelner zum Klimaschutz einsetzen könne, betont Jana Strecker, Gründerin des 2019 in Deutschland gegründeten Vereins Terran. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern will Strecker „terran“ verankern den Geist der Menschen als positives Wort. Manche vermuten, dass allein die Erfindung des Wortes „Flight Shaming“ zu einer Reduzierung des Flugverkehrs in den skandinavischen Ländern geführt hat; Unbestritten ist, dass das Fliegen immer mehr mit einem sündigen Bild in Verbindung gebracht wird.
Die Herausforderung mit dem Landverkehr nehme sich genug Zeit, sagt Mülleder. Generell musste die gesamte Urlaubsplanung neu überdacht werden. „Was will ich in meinem Urlaub? Will ich schwimmen, entspannen, will ich Kultur?“

Die Welt lässt sich auch mit dem Boot oder mit dem Fahrrad erleben.
Bild: FTI Touristik/Kuoni
Erst dann sollte das Wo bestimmt werden. „Wir müssen weg von diesem To-Do-Denken, diesen Wunschlisten. Da muss ich noch einen Haken finden und diese Ansicht auf die Liste setzen“, sagt Mülleder: „Mut zu Leerzeichen, weniger ist mehr.“ Seinen bisher letzten Flug absolvierte er 2018. „Das ist eine Frage der Dosierung. Wenn man alle zwei, drei Jahre eine Fernreise macht, bewusst länger am Zielort bleibt und dann den CO2-Ausstoß kompensiert.“
Dieser Ausgleich funktioniert über eine finanzielle Spende für ein Projekt, zum Beispiel für Aufforstung oder Solaranlagen. „Ein bisschen Nachsicht“, sagt Müller und warnt davor, sich gedanklich von der Verantwortung freizukaufen.
Natürlich hat jede Reiseart ihre eigenen Herausforderungen, auch die im Zug. Nicht nur für Strecken durch verschiedene Länder unterschiedlicher Bahnstrecken muss man mühsam Tickets kaufen, auch die Spurweiten der Schienen unterscheiden sich in Europa.
So entstand für Mülleder eine Reiseerinnerung, an die er sich noch Jahre später gerne erinnert: „Weil die unterschiedlichen Spurweiten Umbauarbeiten erforderten, hielten wir auf dem Rückweg von der Ukraine nach Wien einmal an der Grenze an. Plötzlich fuhr der Zug ohne unser Auto ab. “ Leider hatte der nächste Zug, der uns brachte, keinen Speisewagen und wir waren alle sehr hungrig. Der Fahrer hat uns gerettet: Kaffee und Croissants hat er uns extra an der nächsten Station bringen lassen. Das sind die Erfahrungen. und Begegnungen, die in Erinnerung bleiben“.
DURCH
Reisen – zur Abwechslung
Raus aus den eigenen vier Wänden, Neues entdecken: Reisen ist zweifelsohne eine der schönsten Freizeitbeschäftigungen überhaupt. Wie schön waren die Zeiten, als über den Klimawandel nicht gesprochen wurde und man ohne Gewissensbisse in die entlegensten Winkel der Welt fliegen konnte. Doch inzwischen häufen sich Naturkatastrophen, und das nicht nur irgendwo in „Dschibuti“. Überschwemmungen, Trockenperioden und Wirbelstürme richten nun auch hier ihr Unwesen und fordern Menschenleben. Jeder weiß, dass einer der Gründe dafür der massive Flugverkehr ist. Schlechte Nachrichten für unsere Lust, fremde Länder und Kulturen kennenzulernen, denn das verdirbt auf den ersten Blick unsere unbeschwerte Reise. Aber auf den zweiten Blick öffnet es auch den Horizont für neue Urlaubsformen. Wie wäre es mit einer Zugfahrt nach Sylt in einem super bequemen Schlafwagen?
NACHTEILE
Neue Horizonte
Der erste Impuls ist Selbstverteidigung: Ich bin in den letzten zehn Jahren dreimal privat geflogen, da bist du meilenweit davon entfernt, ein Vielflieger zu sein. Denn: Natürlich gibt es viele unnötige Flüge, wenn du eine Alternative per Bahn findest, solltest du diese wählen. Auch in den österreichischen Seen lässt es sich herrlich relaxen und planschen, und ein Wandertraum ist unser Land sowieso.
Bei jeder Fernreise sofort die Moralkeule auszupacken, scheint jedoch der falsche Ansatz zu sein.
Reisen eröffnet neue Welten, neue Horizonte, besonders wenn das Unbekannte am Zielort wartet. Dass wir Menschen uns in überschaubarer Zeit die Möglichkeit geschaffen haben, andere Kulturen und Kontinente kennen zu lernen, kann immer noch als Errungenschaft gewertet werden. Das ist sicher kein Horizont, der am Neusiedler See endet.
Quelle: www.nachrichten.at