B.Der gestrige Ministerpräsident Markus Söder hat Recht. „Wer verbindet Ökologie und Ökonomie besser?“ Tatsächlich wird es einer sein, vielleicht sogar das Die entscheidende Frage wird bei der Bundestagswahl im September sein. Wer einen Dreisprung besser hinbekommt, hat bessere Chancen auf politische Unterstützung.
Im ersten Schritt muss auf ökologische Nachhaltigkeit geachtet werden – das hat gerade das Bundesverfassungsgericht gefordert. Der Gesetzgeber sei gezwungen, „die Fortschreibung der Treibhausgasminderungsziele für Zeiträume nach 2030 enger zu regeln“.
Zweitens muss die Wirtschaftlichkeit gegeben sein. Wenn die Industrie aus Deutschland verdrängt wird, gehen nicht nur lokale Arbeitsplätze verloren. Das hilft der Umwelt nicht, sondern schadet ihr. Also wird woanders mehr produziert, unter deutlich umweltschädlicheren Bedingungen als hierzulande.
Der dritte Sprung besteht darin, die soziale Dimension zu berücksichtigen. Bei allem Respekt vor dem gesunden Menschenverstand der Wähler: Beim Abhaken in der Anonymität der Wahlkabine spielen persönliche Interessen wohl die wichtigste Rolle. Wer von vielen Menschen viel verlangt, wird daher mehr Widerstand verspüren als jemand, der allen alles verspricht, egal wie düster und unsicher die Versprechungen auch sein mögen.
Bisher scheinen die Grünen am weitesten zu springen. Sie liegen in vielen Umfragen vorne. Irgendwie ist eine Politik, die auf Führung und Bevormundung beruht, also auf Verboten und Anordnungen, die darauf abzielen, Menschen Glück aufzuzwingen, die Besserwisser für richtig, erstrebenswert und erkämpft halten, irgendwie in die Bevölkerung durchgedrungen.
Die Marktwirtschaftspolitik befindet sich in einer schwierigen Lage. Selbst der CSU-Chef tadelt die Liberalen: „Die FDP hat vor allem radikale Marktinteressen im Auge, ohne mehr auf Nachhaltigkeit zu achten.“
Schade und unnötig, dass der bayerische Ministerpräsident mit dem Badewasser die Hand nach dem Baby wirft, das sich gerne wie die Liberalen verwöhnt. Denn auch Markus Söder will „eine marktwirtschaftliche COzwei-Preis ohne Obergrenze, aber Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum und generelle Abschaffung der EEG-Umlage für Unternehmen“.
Was er an diesen wirtschaftlich vernünftigen Forderungen als „radikales Marktinteresse“ bezeichnet, ist sein Geheimnis. Es ist und bleibt offensichtlich und richtig, dass die Marktwirtschaft durchaus in der Lage ist, „ökologische“ und „ökonomische“ Absichten in einem Öko zu vereinen–zu einer logischen Symbiose verschmelzen, die besser als alle Alternativen dazu fähig ist, dass Deutschland den Dreisprung aus Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialen Dimensionen meistert.
Es ist wirklich zu einer Binsenweisheit geworden, dass das ökologische Problem ein Problem fehlender realer Kosten ist. Die Kosten (und damit die Preise) beinhalten nicht alle realen Langzeitfolgen von Umweltverschmutzung, Erderwärmung, Klimawandel und Artensterben.
Vieles wird heutzutage zu billig gebraucht. Ein mehr oder weniger großer Teil der Kosten wird an die Kinder der Kinder weitergegeben. Aber das ist weder die Schuld der Marktwirtschaft noch das Ergebnis eines Marktversagens. Es ist ein Versagen der Politik. Offensichtlich sind die meisten Parlamentarier und die Regierung, die sie unterstützen, nicht bereit, das zu tun, was die Marktwirtschaft verlangt, nämlich sich auf die Marktkräfte zu verlassen.
Es riecht stark nach Heuchelei, mit einer EEG-Umlage das Gegenteil von effizienten Marktanreizen zu beschließen und dann der Marktwirtschaft das Scheitern einer Energiepolitik anzulasten, die auf eine dauerhafte Subventionierung von Ökostrom ausgelegt ist.
Sich auf die Marktkräfte zu verlassen bedeutet keineswegs, auf Marktinterventionen zu verzichten. Auf der anderen Seite. Wer die Umwelt verschmutzt, muss dafür bezahlen. Genau diesen Kardinalfehler machten auch Liberale, die zu lange glaubten, für die Umwelt würden andere Gesetze gelten als für die übrige Wirtschaft.
Es gäbe keine Mangelprobleme. Luft, Wasser oder Atmosphäre können kostenlos genutzt werden. Heute ist es nicht nur allgemein akzeptiertes Wissen, dass die langfristigen Kosten der globalen Erwärmung, des Klimawandels und des Artensterbens beträchtlich sind.
Es ist auch ein gesellschaftlicher Konsens und die seit letzter Woche neu bestätigte gesetzliche Grundlage ist, dass Umwelt- und Klimaziele wirtschaftlich verbindlich erreicht werden müssen. Doch genau das kann wunderbar durch marktwirtschaftliche Maßnahmen erreicht werden.
Um eine ökologische Kostenwahrheit wirtschaftlich umzusetzen, reicht es aus, wenn die Politik die Ziele vorgibt. Dann können Sie die Umsetzung der Marktwirtschaft überlassen. Die Höhe der Klima- und Umweltbelastung muss politisch bestimmt werden, das heißt, wann die maximalen Schadstoffgrenzwerte erreicht werden müssen.
Der Grünen-Chef Habeck über die Corona-Situation und das Klimaurteil
Bundespräsident Robert Habeck sprach im Anschluss an die Ausschusssitzung der Grünen über die aktuelle Pandemielage und das Karlsruher Urteil zum Klimaschutzgesetz. Sehen Sie sich hier seine Pressekonferenz an.
Auch die Dynamik der Reduzierung ist gut planbar, das heißt, die zulässigen Emissionsmengen werden jedes Jahr um einen bestimmten Prozentsatz reduziert. Dies und nicht mehr (oder gar zusätzlich) fordert das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil auch.
Zur Kostenwahrheit bei der Zielsetzung gehört auch Ehrlichkeit. Es gibt keinen wirtschaftlich stichhaltigen Grund, auf dem Weg zum Ziel einzelne Energieformen anderen vorzuziehen oder einzelne Wirtschaftszweige anders zu behandeln als alle anderen.
Alle sollen und müssen am selben Ziel festhalten. Politik, Gesetzgeber oder Verfassungsgericht können absolut keinen Unterschied machen, ob die Wirtschaft auf neue Technologien in Bezug auf die Produktion oder die Bevölkerung auf Wärme oder Verkehr reagiert oder ob die Bevölkerung auf Wärme oder Verkehr reagiert.
Statt Mengensteuerung können ökologische Ziele durch Bewirtschaftungssteuern erreicht werden.
Sobald Volumenziele festgelegt sind, kümmert sich der Handel mit staatlich ausgestellten Verschmutzungsgenehmigungen, die in Volumen festgelegt sind, um alles andere automatisch. Die Marktwirtschaft ist so einfach wie effektiv.
Verschmutzungsrechte und Vermeidungskosten sind die Zwillinge einer ökologisch und ökonomisch erfolgreichen Umwelt- und Klimapolitik. Wenn man sich erst ein Verschmutzungsrecht erkaufen muss, um Waren zu produzieren oder Wohnungen zu heizen, haben alle Beteiligten ein Eigeninteresse daran, den ökologisch sinnvollen Weg zu gehen.
Statt Mengensteuerung können ökologische Ziele durch gezielte Steuern erreicht werden. Das ist in der Praxis etwas schwieriger umzusetzen. Denn in einem Angleichungsverfahren müssen zunächst diejenigen Steuersätze ermittelt werden, die zu den politisch gewollten Mengeneinsparungen führen. Aber auch hier wird die Marktwirtschaft durch die Selbststeuerung von Kosten und Preisen dafür sorgen, dass Umwelt- und Klimaziele einfach und effizient erreicht werden können.
Karlsruher Klimaurteil verurteilt Politiker zu Haftstrafen
Ein wegweisendes Urteil aus Karlsruhe setzt die Klimaschutzpolitik unter Druck. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bundesregierung auch beim Klimaschutz die bürgerlichen Freiheiten der jüngeren Generationen schützen muss.
Quelle: WELT/Marcus Tychsen
Damit bleibt Eigeninteresse als letzter Schritt erfolgreicher Ökopolitik. Ob der Staat Verschmutzungsrechte versteigert oder Lenkungssteuern einführt, beides bewirkt eine Erhöhung der indirekten Steuern. Um eine zusätzliche steuerliche Belastung der Bevölkerung durch die Hintertür zu vermeiden, spricht vieles dafür, die Gesellschaft an anderer Stelle steuerlich zu entlasten.
Der einfachste Weg, sich bei den Wählern einzuschmeicheln, ist die Senkung der Einkommenssteuern. Wer eine besonders hohe Punktzahl erreichen will, könnte sich eine Erhöhung der Steuerentlastung versprechen. Das käme vielen zugute. So konnten im Dreisprung die größten Wahlerfolge erzielt werden.
Thomas Straubhaar ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Internationale Wirtschaftsbeziehungen, an der Universität Hamburg.
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Quelle: www.welt.de