Was tut die Stadt vor Ort, um die globale Erwärmung zu bekämpfen? Nun gibt es viele Initiativen und Konzepte. Auch auf unterster politischer Ebene rückt die Energiepolitik der Stadt in nahezu allen Aufgaben in den Mittelpunkt des politischen Handelns.

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos wird in den kommenden Jahren vorangetrieben. | Bild: Trippl, Norberto
Wenn sich Bürgermeister Jürgen Roth mit dem kommunalen Klimaschutz beschäftigt, sieht er viele interessante Ansätze und Initiativen. Stolz ist der Verwaltungschef darauf, dass die Stadt aus eigener Kraft kürzlich nach dem „European Energy Award“ zertifiziert wurde. Es ist ein europäisches Garantiesiegel für die Nachhaltigkeit kommunaler Energie- und Klimaschutzpolitik. VS hat diese Anforderungen in einem dreijährigen Arbeitsprozess erfolgreich gemeistert.
Carsharing mit urbanen Elektroautos
Ganz neu ist die Installation von zehn neuen Elektrotankstellen auf dem Parkplatz hinter dem Villinger Rathaus. Hier kann sich der Fuhrpark der Stadt, der jetzt auf Elektrofahrzeuge umstellt, mit Strom versorgen. Am Rathaus Schwenningen werden zusätzliche Pumpen für sechs Elektroautos installiert. Und was haben die Bürger davon? Nach getaner Arbeit können die städtischen Ämter auch die E-Tankstellen nutzen, um dort ihre Elektrofahrzeuge aufzuladen.

Die Stadt hat hinter dem Villinger Rathaus neue Ladestationen installiert. Hier freuen sich Mitte Dezember (von links) Bürgermeister Jürgen Roth, Gregor Gülpen, Geschäftsführer der Stadtwerke und ihre Mitarbeiter Kai-Uwe Huonker und Daniel Felgenhauer über die Inbetriebnahme der neuen Wallboxen. | Bild: Oxana Zapf.
Mehr noch: In einem weiteren Schritt, kündigt Oberbürgermeister Jürgen Roth an, will die Stadt ihre Elektroautos auch für Carsharing anbieten. Das bedeutet, dass Bürger die Elektroautos der Stadt nachts gegen Gebühr ausleihen können.
Eines der großen Projekte der Stadt in Sachen Klimaneutralität ist das künftige Verwaltungs- und Wohnquartier Oberer Brühl, das ab 2023 entstehen soll. „Das gesamte Quartier muss klimaneutral werden“, betont Roths ehrgeiziges Ziel. Eine Energieversorgung mit erneuerbarer Geothermie ist geplant.
Beheizung mit Abwärme der Kläranlage
Der Verzicht auf fossile Brennstoffe zum Heizen von Wohnungen, Gewerbe und öffentlichen Gebäuden ist ein zentraler Baustein für mehr Klimaneutralität. Im November stellte die Stadt einen „Wärmeplan“ für ganz VS fertig und reichte ihn ein.

Das Klärwerk Villingen aus der Vogelperspektive im Januar 2019. Mit der Abwärme des Abwassers werden künftig auch die Wohnungen beheizt. | Bild: Hans-Jürgen Götz
Abwärme aller Art wird in Zukunft zum Beispiel zum umweltfreundlichen Beheizen von Wohngebieten genutzt. Konkretes Beispiel: Die Stadt will die Abwärme der Kläranlage Villingen nutzen, um benachbarte Wohngebiete zu beheizen. Das ist mehr als eine Idee: „Dafür gibt es bereits eine konkrete Projektstudie“, berichtet Bürgermeister Roth.
Ein weiteres Beispiel: Die Helios-Arena wird in den nächsten fünf Jahren aktualisiert damit Abwärme aus der Eisproduktion in ein öffentliches Wärmenetz eingespeist werden kann. Damit können angeblich bis zu 700 Wohnungen beheizt werden.
Energievision auf der alten Deponie
Die Stadt hat eine weitreichende Vision für das Areal „Obere Wiesen“ südlich von Villingen an der Niederwiesenstraße entwickelt. Dort wird der Energieversorger die ehemalige Mülldeponie mit Photovoltaik ausstatten, um umweltfreundliche Energie zu produzieren. In der Nähe der Deponie wird weitere Photovoltaik errichtet. Allerdings nach den Vorstellungen der Stadt als Agro-Photovoltaik-Anlage.

Bild: Steller, Jessica
Das heißt, wie der Bürgermeister erklärt: Die Felder unter den aufgeständerten Solarpanels werden landwirtschaftlich genutzt. Denkbar ist der Anbau von Weizen, Kartoffeln, Erdbeeren oder anderen landwirtschaftlichen Produkten. „Für uns ist das die Chance für die Landwirtschaft, sich diesem Projekt anzuschließen“, erklärt der Rathauschef.

Auf diesen Wiesen südlich von Villingen und auf der ehemaligen Deponie Obere Wiesen (rechts im Bild) werden zukünftig Solaranlagen zur Erzeugung von Strom, Wasserstoff und Sauerstoff installiert. Unser Foto ist vom April 2020. | Bild: Hans-Jürgen Götz
Wasserstoffproduktion für Lkw.
Aus der Sonnenenergie dieser Anlage will das kommunale Unternehmen künftig nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Wasserstoff, Sauerstoff und Abwärme zum Heizen. Sauerstoff ist ein von der Industrie stark nachgefragtes Produkt. Der Wasserstoff könnte für eine Wasserstofftankstelle genutzt werden, die es in VS bisher nicht gibt. Die Umstellung der Lkw-Flotten der Transportunternehmen auf Wasserstoffantrieb ist bereits im Gange. Für das Gesamtprojekt hat die Stadt bereits einen Bebauungsplan erstellt.
Die kommunalen öffentlichen Dienste werden umgekrempelt
Um die Energiewende zu vollenden, wurde auch mit der Umstrukturierung der Stadtwerke begonnen. Der örtliche Energieversorger, ein Tochterunternehmen der Stadt, wird künftig eine zentrale Rolle bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, der Produktion von Wasserstoff und dem Betrieb eines klimaneutralen Wärmenetzes spielen.

Oberbürgermeister Jürgen Roth zur Ausweisung neuer Wohn- und Gewerbegebiete: „Bei diesen Themen gibt es aus meiner Sicht kein Schwarz und Weiß.“ | Bild: Hans-Jürgen Götz
Die Stadt will den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf den Dächern öffentlicher Gebäude fördern. So wird beispielsweise das Krematorium Schwenningen über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach verfügen. Die bestehende Anlage der Helios Arena wird deutlich erweitert.
Großes Solarfeld bei Weigheim?
Auch neue Outdoor-Photovoltaikanlagen entstehen. Nach Fertigstellung der Großanlage in Spitalhöfe wird nun eine zweite große Solaranlage an der Autobahn bei Weigheim diskutiert. Auch hier will ein privater Investor eine größere Anlage auf die Felder bringen. Ob das Projekt verwirklicht wird, steht allerdings noch nicht fest. „Bisher gab es nur Vorgespräche“, erläutert Bürgermeister Roth den aktuellen Stand der Dinge.
Der Bürgermeister ist sich natürlich bewusst, dass auf dem Weg zu mehr Ökologie noch Konfliktpotenzial besteht. Wenn es um neue Straßen, Wohn- oder Gewerbegebiete geht, sind Konflikte mit Bürgern und Umweltschützern vorprogrammiert.
OB will weiterhin Wohn- und Gewerbegebiete
Natürlich, so betont der Christdemokrat Roth, „ist der ökologische Ansatz gerechtfertigt“, aber er hält es für einen Fehler, grundsätzlich auf neue Wohn- und Gewerbegebiete zu verzichten. Fachkräften, die hierher ziehen, solle eine Wohnung angeboten werden, er plädiert für ein pragmatisches Vorgehen. Und er ist überzeugt, dass zum Erhalt von Arbeitsplätzen „auch in Zukunft Platz benötigt wird“. Aus seiner Sicht gibt es bei diesen Fragen kein „Schwarz und Weiß“.

Umstritten: Neubaugebiete in VS-Städten sind ökologisch höchst umstritten. Hier eine Darstellung des geplanten Baugebietes „Obere Äcker“ in Herzogenweiler. | Bild: Stadt Villingen-Schwenningen
Aber: Die Stadtverwaltung achtet auch darauf, dass die alten Gewerbegebiete nicht einfach in Wohngebiete umgewandelt werden. „Wir haben uns derzeit gegen einen Gewerbeabriss in Schwenningen ausgesprochen“, berichtet der Bürgermeister. „Hier wollte ein Immobilieninvestor das Grundstück kaufen.“ Ziel der Stadt ist es, die Fläche für Firmenansiedlungen zu reservieren.
Quelle: news.google.com