D.der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau ist Held der Umweltbewegung und Autor grüner Klassiker wie „Walden“. Aber er ist auch der Protagonist einer kleinen Geschichte, die die janusköpfige Natur der modernen Umweltbewegung illustriert.
1844 floh der junge Thoreau vor dem Lärm der Stadt aufs Land, um ruhige Stunden tief im Urwald Neuenglands zu verbringen, die Natur zu genießen und am Lagerfeuer zu faulenzen. Aber anstatt ihm und der Natur etwas Gutes zu tun, breitete sich sein Feuer auf die Wipfel benachbarter Bäume aus, entfachte ein riesiges Feuer und zerstörte mehr als einen Quadratkilometer unberührter Wildnis.
Thoreau, einst berühmt für den Ausspruch: „Ich bin in den Wald gezogen, weil ich achtsam leben wollte, um dem wirklichen Leben näher zu kommen“, hat der Natur einen schlechten Dienst erwiesen, indem er aus der Stadt geflohen ist. Der amerikanische Stadtökonom Ed Glaeser bringt die Moral der Geschichte in wenigen Worten auf den Punkt: „Wenn du die Natur liebst, ist es besser, in die Stadt zu gehen.“
Auf den ersten Blick erscheint diese Aussage paradox: Sind Städte nicht der Inbegriff einer umweltbelastenden Industriekrake, in der Schmutz, Gestank und Feinstaub um sich greifen? Nein, denn die neunarmige Pest ist schlichtweg eine Erfindung der Romantik, als Denker und Dichter wie Thoreau oder sein Zeitgenosse Joseph von Eichendorff Städte als verherrlichte, „überwältigende“ ländliche Regionen bezeichneten.
Aber die Städte sind ein ökologischer Erfolg. Grund dafür ist die hohe Bevölkerungsdichte. Je mehr Menschen auf einem Quadratkilometer zusammenleben, desto nachhaltiger wird die Stadt. Denn die Menschen auf dem Land und in den Vororten sind hauptsächlich auf das Auto angewiesen und müssen täglich viele Kilometer fahren. Außerdem leben sie oft allein, nur mit ihrer Familie oder mit einigen Parteien in großen Einfamilienhäusern. Das Leben in ländlicher Idylle nimmt viel Naturraum ein, nimmt Platz für Tier- und Pflanzenarten und ist extrem CO2-intensiv.
Städter leben grüner
Städter hingegen leben meist in energieeffizienten Mehrfamilienhäusern, die eher erhöht als breit sind. Und sie legen viel weniger Kilometer mit dem Auto zurück, weil viele zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Straßenbahn erreichbar sind. Der konzentrierte urbane Lebensstil schont somit Naturräume und fördert die Biodiversität. Während dicht bebaute Städte vielen Öko-Liebhabern auf den ersten Blick grau erscheinen, sind ihre geringeren CO2-Senden Sie die Welt grüner.
Trotz des wissenschaftlichen Konsenses über die grünen Vorteile dichter Städte feiern leider nur wenige Echos die hohe Bevölkerungskonzentration. Stattdessen findet man viele Thoreausche Romantiker, die die Farbe Grün im Stadtbild mit der „grünen“ Stadt zu verwechseln scheinen.
Sinnbildlich dafür steht die sogenannte Nimby-Bewegung, deren Akronym auf Englisch „nicht in meinem Hinterhof“ bedeutet, in Berlin bekannt: „Nicht in meiner Nachbarschaft!“ Die Nimbys sind Bürger, die versuchen, neue Bauprojekte wie Wolkenkratzer zu verhindern, weil sie sie nicht in ihrer Gegend haben wollen.
So wurde im vergangenen Jahr ein großes Wohnungsbauprojekt in Berlin-Pankow gestoppt, weil sich eine Gruppe von Nimbys Sorgen um die zu bauenden Grünflächen machte: Grünflächen sind ein wesentlicher Bestandteil der kommunalen Umweltpolitik. Die Initiative „Grüner Kiez Pankow“ hat sich im Bezirkstag gegen das Projekt eingesetzt, bis die Politik beschloss, „einen Bebauungsplan aufzustellen, der Grünflächen schützt“.
Das Beispiel Berlin zeigt, wie die Nimbys denselben Fehler machen wie Thoreau: Sie sehnen sich nach Natur in der Stadt, verurteilen und verhindern damit die Bevölkerungskonzentration und beschleunigen damit die großen ökologischen Herausforderungen.
Die dicht besiedelte Stadt wäre dagegen der richtige ökologische Löscher. Hochmoderne Wolkenkratzer im Stadtzentrum versorgen Hunderte, möglicherweise Tausende von Menschen mit CO22-Effizientes Wohnen und Beschäftigung. Sie verkürzen Reisewege, schonen Naturräume und schützen die Biodiversität. Anstatt horizontalen Raum in den Vorstädten zu verschwenden, ist das Leben und Arbeiten in modernen Städten platzsparend und buchstäblich in der Luft.
Neuere Studien aus den Vereinigten Staaten zeigen, dass eine Verdoppelung der städtischen Konzentration den CO-Ausstoß erhöht2-Es kann die Transportemissionen um fast die Hälfte und die Emissionen von Wohngebäuden um mehr als ein Drittel reduzieren. Fernab des Klischees der dicht besiedelten Betonstadt lassen Hochhäuser oder gar Wolkenkratzer auch in der Innenstadt mehr Platz für Grünflächen zu. Je mehr Menschen in den Hochhäusern der Innenstadt leben und arbeiten, desto mehr Platz bleibt für die Vegetation am Boden.
Die Bewohner der urbanen Quartiere sollten aufhören, ihre Stadt zu einem romantisch-ländlichen Bullerbü zu machen und die Grünflächen schützen. Statt sich mit Seilen an die Bäume in der Innenstadt zu fesseln, sollten die Bewohner von Prenzlauer Berg, Winterhude und Schwabing zu den Seilen greifen, Baumaschinen, Planierraupen, Walzen und Kräne in die Innenstädte ziehen und die grüne Stadt sprießen lassen.
Große ökologische Brände können nur mit dicht besiedelten Städten gelöscht werden. Dafür brauchen wir Wolkenkratzer und keine Ökoromantiker im Stile Thoreaus. Denn Hochhausbefürworter nehmen die Umweltwissenschaft ernst, setzen sich für hohe Bevölkerungskonzentrationen ein und vereinen sich unter einem gemeinsamen Motto: Höher, dichter, grüner.
Justus Enninga ist Doktorand am King’s College London und Senior Researcher bei Prometheus. Das Institut der Freiheit“.
Quelle: news.google.com